
„... die äußere Welt, außerhalb des Zuges, existierte nicht für mich.“
Moshe Nordheim, 2022
Moshe Nordheim, im April 1945 elf Jahre alt
Moshe Nordheim wird am 28. Januar 1934 in Amsterdam geboren. Vergeblich versucht seine Familie, die Niederlande nach dem deutschen Einmarsch zu verlassen. Über das Durchgangslager Westerbork gelangen Moshe, eine Schwester und die Eltern Rachel und David ins KZ Bergen-Belsen, zwei jüngere Geschwister bleiben im Versteck in Amsterdam zurück. Die Familie wird in Tröbitz befreit, doch der Vater stirbt Ende Mai 1945. Moshe gibt sich eine Mitschuld an dessen Tod, denn er hatte das Fahrrad „organisiert”, mit dem der Vater, Arzt von Beruf, in das provisorische Krankenhaus gefahren war, um Kranke zu versorgen. Dabei steckte er sich mit Flecktyphus an.

Es ist das letzte Bild des Arztes. Er stirbt nach der Befreiung in Tröbitz an Typhus. Moshes Mutter Rachel lässt die sterblichen Überreste nach Kriegsende in die Niederlande überführen.
Über den Holocaust sprechen
Im Juni 1945 kehrt Moshe Nordheim mit Schwester und Mutter zunächst in die Niederlande zurück, wandert aber 1946 nach Palästina aus. Bald beginnt er, Informationen und Dokumente über seine Familie zu sammeln. Mit der Mutter kann er kaum über die Vergangenheit sprechen. Bis heute erscheint ihm das Erlebte in seinen Träumen. 2004 veröffentlicht er das gesammelte Material in dem Buch „From Rebuke to Rejoicing“ („Von der Bedrohung zur Freude“). Erst danach ist es ihm möglich, mit der Mutter über die Vergangenheit zu sprechen. In Israel arbeitet Moshe als Mathematiklehrer und wirkt über 40 Jahre als Kantor in der Großen Synagoge in Jerusalem.
Moshe Nordheim und die Gegenwart der Vergangenheit.| Video 55 sek
„… wir waren keine Kinder mehr. Wir waren Erwachsene …“
Moshe Nordheim, 2004

Die Vergangenheit, die nicht vergeht
Nach der Rückkehr in die Niederlande macht sich die Familie auf eine komplizierte Suche nach den zwei Geschwistern, die im Versteck in Amsterdam überlebt hatten. Moshe Nordheim und seine Geschwister erhalten 1946 eine Einwanderungserlaubnis nach Israel, nur die Mutter muss noch warten. Dies bedeutet eine weitere schmerzliche Trennungserfahrung für die Familie, in der dann viele Jahre nicht mehr über die Vergangenheit gesprochen werden kann. Dennoch besucht Moshe 1990 mit seiner Mutter Rachel die Gemeinde Tröbitz.
„Meine Enkelkinder haben sehr viel von mir gehört. Ich wollte, dass sie es von jemandem hören, der selbst dabei gewesen ist. … Sie haben alles von mir erfahren … sie wissen genau, was der ‚Verlorene Transport’ ist. Sie wissen es. Sie wissen, ich war dort.“
Moshe Nordheim, 2022