„Ihr wart für mich alles ... Ich hatte keine Eltern mehr ...“

Mike Lowenthal, 2000

Das Überleben der Birnbaum-Familie

Die jüdisch-orthodoxe Familie Birnbaum aus Berlin, das sind Vater Otto (Yehoshua), Mutter Henni und die Kinder Sonni (Sonja, geboren 1928), Gina (Regina, 1930), Jacob (1931), Zvi (1933) und Susanna (1934). Um dem NS-Regime zu entgehen, flieht die Familie in die Niederlande, wo 1938 Samuel zur Welt kommt. Nach der deutschen Besetzung wird die Familie 1943 ins Durchgangslager Westerbork verschleppt, 1944 nach Bergen-Belsen. Im „Verlorenen Transport" haben die Birnbaums neben ihren sechs eigenen noch etwa vierzig Waisenkinder bei sich.

Yaakov, Susi, Zvi, Sonni and Regina und ihre Eltern während eines Familienurlaubs in der Nähe von Berlin, ca. 1938
Die Familie Birnbaum und eine unbekannte Frau 1943 im Durchgangs­lager Westerbork. Alle müssen den gelben Stern tragen.

„Mami kochte aus den im Haus gefundenen Nahrungsmitteln üppige Mahlzeiten ... Ihre Kinder ... versetzt (es) bis heute in Erstaunen, wie ihre Mutter es geschafft hat, mit so wenig Kraft und in so kurzer Zeit jedes mal für nicht weniger als fünfzig Münder eine sättigende Mahlzeit zu bereiten."

For It Is a Tree of Life, S. 155

„… denn es ist ein Baum des Lebens.“

Titel der von den Birnbaum-Kindern publizierten Erinnerungen, 2010

Unter dem Schutz der Birnbaums

Die Eltern haben ein großes Herz und retten in Westerbork zahlreiche jüdische Kinder. Sie bewahren sie vor der Deportation und versorgen sie wie ihre eigenen. Auch in Bergen-Belsen versorgen sie Waisen, deren Eltern an Hunger oder Krankheit starben. 2011 werden Henni und Yehoshua dafür posthum mit der „Jewish Rescuers Citation“ ausgezeichnet. Ihr Mut ist ein Beispiel für widerständiges Handeln während des Holocaust. Nach Kriegsende leiten sie in den Niederlanden ein Waisenhaus für jüdische Kinder, die den Holocaust überlebt haben.

Die Birnbaum-Kinder haben ihren Eltern mit der 2010 in Israel erschienenen Publikation „For It Is a Tree of Life“ ein Denkmal gesetzt.

„Aber später kamen Mütter zu mir und fragten mich, warum ist mein Kind nicht zurückgekommen. Ich trage mit diesen Müttern das Weh durch mein Leben.“

Yehoshua Birnbaum, 1994

Zwischen 1940 und 1945 retten Henni und Yehoshua mehr als 200 Kinder vor dem sicheren Tod.

Zvi Birnbaum zieht eine Lehre aus dem Holocaust. | Video 2:36 min

„Möge die Familie Birnbaum weiter wachsen …“

1950 kann die Familie Birnbaum nach Israel einwandern. Henni und Yehoshua blicken in die Zukunft und sprechen wenig über die Vergangenheit. Die sechs leiblichen Birnbaum-Kinder schlagen Wurzeln in Israel, gründen Familien, erleben und überleben die Kriege, die der noch junge Staat führen muss. Zvi studiert Physik und Mathematik und wird Direktor einer Schule. Die ehemaligen Waisenkinder leben heute in aller Welt. Der Titel ihres Buches „Baum des Lebens“ steht für das gemeinsame Überleben der Familie und ist auch eine Metapher für die Thora, in der die Geschichte des Volkes Israel festgehalten ist.

Die Fotocollage zeigt Waisenkinder, um die sich die Eltern Birnbaum im Durchgangslager Westerbork und nach Kriegsende in den Niederlanden kümmerten. Bis heute sind nicht alle Namen dieser Kinder bekannt., Ort unbekannt, ca. 1941–1948.
Zvi Birnbaum (Obere Reihe, 6. v. l.) mit seiner Familie in der Negev-Wüste in Israel, 2013
Henni und Yehoshua Birnbaum nach Kriegsende in den Niederlanden, 1945 oder 1946