„Warum bin ich denn ausersehen zu leben, und sie soll vielleicht sterben?“

Anne Frank über ihre Freundin Hannah, Tagebucheintrag vom 27. November 1943

„Wir wurden schnell Freundinnen.“

Hannah Goslar ist etwa fünf Jahre alt, als sie erstmals auf Anne Frank in Amsterdam trifft. Die Mädchen gehen in denselben Kindergarten und dieselbe Schule. Sie freunden sich schnell an. Dass sich Anne und ihre Familie vor der Gestapo verstecken, erfährt Hannah jedoch nicht. Erst zwei Jahre später kommen sie wieder in Kontakt — an einer hohen Wand aus Stacheldraht und Stroh im KZ Bergen-Belsen. Hannah versucht ihrer Freundin noch zu helfen, doch Anne stirbt entkräftet an einer Typhuserkrankung. Hannah wird später, schwer erkrankt, in Tröbitz befreit.

V. l. n. r.: Hannah Goslar, Anne Frank, Dolly Citroen, Hanna Toby, Barbara Ledermann, Suzanne Ledermann (stehend) in Amsterdam, 1937
Suzanne „Sanne“ Ledermann, eine enge Spielgefährtin von Hannah Pick-Goslar und Anne Frank, wurde später in Auschwitz ermordet.
Anne (li.) und Hannah (re.) auf dem Merwedeplein in Amsterdam, 1939
Szene im KZ Bergen-Belsen: Hannah versucht, Anne Brotstücke zuzuwerfen.
Die Mädchen können sich nicht sehen. Zwischen ihnen ist eine hohe Wand aus Stacheldraht und Stroh

„Zuallererst miteinander reden, reden …“


Hannah Pick-Goslar, 2022

Hannah Pick-Goslar, im April 1945 sechzehn Jahre alt

Hannah Goslar wird 1928 in Berlin in eine religiöse jüdische Familie geboren. Ihr Vater ist als Beamter im Preußischen Staatsministerium tätig, ihre Mutter arbeitet als Lehrerin. 1933 emigriert die Familie nach Amsterdam, wo die Mutter 1942 bei der Totgeburt des dritten Kindes stirbt. 1943 werden Hannah, ihre Schwester Gabi und ihr Vater in das Durchgangslager Westerbork transportiert, 1944 in das KZ Bergen-Belsen. Dort stirbt der Vater. Nach der Befreiung kehrt Hannah in die Niederlande zurück. 1947 wandert sie nach Palästina aus. In Jerusalem arbeitet sie als Säuglingsschwester und gründet eine Familie.
Hannah Pick-Goslar ist 2022 im Alter von 93 Jahren in Jerusalem gestorben.

Hannah Pick-Goslar, um 1933
Hannah kommt aus einer großbürgerlichen Berliner Familie. Ihr Vater leitet seit 1919 die Presseabteilung des Preußischen Staatsministeriums. Die Familie kann sich eine Haushälterin leisten.
Hannah Pick-Goslar und ihre Enkelin Tal Meir-Prager bei einem Kongress des deutsch-israelischen Jugendaustausches in Jerusalem, 2015
Hannah Pick-Goslar mit ihrem Ehemann Walter Pinchas Pick und ihren drei Kindern in Jerusalem, 1959
In Israel baut sich Hannah mit ihrer Familie ein neues Leben auf. 2022 hat sie elf Enkel und über 30 Urenkel.

Hannah Pick-Goslar zieht ihre Lehre aus dem Holocaust. | Video 38 sek

„Sie rettete mich, ich rettete sie.“


Hannah Pick-Goslar, 1997

Hannah und ihre Schwester

Nach der Verhaftung 1943 kommen Hannah und ihre Schwester Gabi in das Waisenhaus des Ehepaars Birnbaum im Durchgangslager Westerbork. Nach dem Tod des Vaters im KZ Bergen-Belsen kümmert sich Hannah um ihre jüngere Schwester. Gemeinsam werden sie in Tröbitz befreit. In Israel macht Hannah die Pflege von Säuglingen und Kleinkindern zu ihrem Beruf. Als Zeitzeugin wendet sie sich häufig an junge Menschen. Ihre Jugendfreundschaft mit Anne Frank steht oft im Vordergrund ihrer Berichte.

Gabi und Hannah Goslar, 1941
Hannah Pick-Goslar muss früh die Verantwortung für ihre zwölf Jahre jüngere Schwester Gabi übernehmen. In den Lagern Westerbork und Bergen-Belsen gibt ihr das die Kraft, um weiterzuleben.
Hannah Pick-Goslar vor Schülerinnen und Schülern in Sacramento/USA, 8. November 2000
Als Zeitzeugin ist Hannah in der ganzen Welt unterwegs. Über ihre Freundschaft zu Anne Frank werden auch Filme gedreht.