Tröbitz – Ein Dorf wie jedes andere?



Tröbitz im Nationalsozialismus 1933 – 1945

Im Wahlkreis 5, zu dem Tröbitz gehört, bleiben die Nationalsozialisten bei Reichstagswahlen mit 48,1 % im Juli und 42,6 % im November 1932 stärkste Partei. Im Berg­arbeiterdorf Tröbitz hingegen wählen bei Landtagswahlen im März 1933 noch zwei Drittel sozial­demokratisch. Nach Kriegsbeginn 1939 werden die meisten Männer als Soldaten zur Wehrmacht eingezogen. In der Grube Hansa und auf Bauernhöfen kommen Zwangsarbeiter, Frauen und Männer, aus Polen und der Ukraine zum Einsatz. In den letzten Monaten des Krieges treffen vor der Roten Armee fliehende Deutsche aus dem Osten in Tröbitz ein. Weil Angehörige der Hitler-Jugend eine Eisenbahnbrücke über die Elster sprengen, kommt der „Verlorene Transport” in Tröbitz zum Stehen.

Das Foto zeigt Mitglieder der Hitler-Jugend (HJ) in Tröbitz um 1945.
Blasorchester vor dem Prießenhaus der Brikettfabrik LOUISE, 1941
Die Brikettfabrik „Louise“ gehörte dem jüdischen Unternehmer Ignatz Petschek, der 1934 stirbt. 1939 zwingen die Nationalsozialisten die Erben zum Verkauf der Fabrik weit unter Wert. Sie wird zunächst von den staatlichen ­Göring-Werken unternommen, später vom Konzern des Unter­nehmers Friedrich Flick.
Die Grube Hansa und Brikett­fabriken wie die „Louise“ in Domsdorf waren die größten Arbeitgeber in der Region.
Postkarte, Anfang 20. Jahrhundert

Nationalsozialisten auch in der Lausitz politisch Andersdenkende, Juden, soziale Außenseiter und andere Minderheiten wie die Sorben. Im Zweiten Weltkrieg leisten in den Betrieben der Lausitz zahlreiche Menschen aus West- und Osteuropa Zwangsarbeit, in der Landwirtschaft und in der Braunkohle-Industrie. Die hier geförderte Braunkohle wird durch die Umwandlung zu Benzin für die Wehrmacht besonders kriegswichtig.

„Die Russen haben uns das Dorf geschenkt.“

Micha Gelber, 1945 neun Jahre alt, 2001

Die Rote Armee und die Befreiung 1945

Kurz nach dem „Verlorenen Transport” treffen Soldaten der Ersten Ukrainischen Front in Tröbitz ein. Diese Einheiten der Roten Armee übernehmen die Kontrolle und richten ein Lazarett im Dorf ein. Einige Deutsche begehen Selbstmord. Frauen und Mädchen verstecken sich aus Angst vor den Soldaten. Viele Menschen aus Tröbitz reagieren mit gemischten Gefühlen auf den „Verlorenen Transport”. Die Menschen aus dem Zug betrachten sie als Fremde, mit denen sie ihre Vorräte teilen müssen. Zeitweise wohnen in Tröbitz und Nachbarorten mehr Überlebende als Einheimische.

Wohnbaracke im Lager Nordfeld, 1980er-Jahre
In einem ehemaligen Zwangsarbeiter-Lager in Tröbitz-Nordfeld werden Typhuskranke isoliert. Zahlreiche Erkrankte sterben dort. Unter ihnen sind auch 26 Frauen und Männer aus Tröbitz, die die Überlebenden gepflegt und sich dabei angesteckt haben.

„Die sowjetischen Soldaten haben uns gesagt, dass wir in die Häuser gehen sollen. In den Kellern haben wir verschiedene Nahrungsmittel gefunden. Darunter waren Speck und andere schwerverdauliche Sachen. Das hat einige Menschenleben gekostet, denn das konnte man nach der Haft nicht einfach so essen.“
Raul Teitelbaum, 1945 vierzehn Jahre alt, 2002

„… ich kann mich dann auch daran erinnern, wie der Zug zurückgezogen wurde nach Tröbitz und dann alle vom Zug rausgerannt sind zu suchen, wo gibt es ein Haus, weil die Russen haben uns das Dorf geschenkt.“
Micha Gelber, 2001

Über 2.300 jüdische Überlebende treffen auf etwa 500 Einwohnerinnen und Einwohner in Tröbitz, vorwiegend Frauen und Kinder.

Der „Verlorene Transport“ | Video 12 min

„Ich möchte den Tröbitzern meinen Dank aussprechen, dafür dass sie all die Jahre den Friedhof in Ehren versorgt haben. Auch wünsche ich mir von Herzen, dass an den Massengräbern neben der Kirche geschrieben wird, dass dort jüdische Massengräber sind.“

Sonny Schey, geb. Birnbaum, 1995

Erinnerung an den „Verlorenen Transport”

Der jüdische Friedhof in Tröbitz und die ersten Gedenksteine und Grabstätten sind den Initiativen jüdischer Überlebender zu verdanken. Die Gemeinde baut den jüdischen Friedhof aus, der 1966 offiziell eingeweiht wird. Menschen aus Tröbitz und Umgebung pflegen die Gedenkorte. Seit den 1970er- Jahren finden regelmäßig Gedenkveranstaltungen statt.

Gedenken an die Opfer des „Verlorenen Transports“ am 23. April 1975
Einweihung des Ehrenmals der deutschen Organisation „Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus“ neben der Kirche in Tröbitz, 1952.
Lange fehlte der Hinweis, dass es sich bei den neben der evangelischen Kirche bestatteten Opfern überwiegend um Juden handelt. Auch die 26 nichtjüdischen Frauen und Männer aus Tröbitz, die an Typhus starben, sind dort bestattet.
Einweihung des jüdischen Friedhofs, 1966
1995, zum 50. Jahrestag der Befreiung, lud die Landesregierung von Brandenburg erstmals alle Überlebenden der in dem Bundesland gelegenen Konzentrationslager ein.
Auch nach Tröbitz kamen viele Überlebende und Angehörige des „Verlorenen Transports“.
Umschlag zur Einladungskarte 1995
Die Gedenksteine und Grabstellen werden heute von der Gemeinde und Einwohnenden gepflegt.